Wie können Top-Führungskräfte (auch) in der virtuellen Kommunikation überzeugen? Mit dieser Frage haben wir uns für die aktuelle Ausgabe des Kommunikationsmanager befasst. Selbst erfahrenen Top-Managern gelingt es nur selten, ihre Stärken von der realen auf die virtuelle Bühne zu transferieren. Wo das physische Publikum fehlt, fehlt auch die wichtige Rückmeldung zur eigenen Wirkung. Was also tun, um in Videokonferenzen, Online-Vorträgen, Videobotschaften und virtuellen Panels einen überzeugenden Auftritt hinzulegen?

Der schwierige Schritt von der realen Bühne vor die Studio-Kamera

Und plötzlich steht er da und blickt ins Leere. Okay, nicht ganz ins Leere… immerhin vier oder fünf Kameraleute und Tontechniker sind am Set, außerdem die Kolleginnen von der Unternehmenskommunikation. Dazu der Regisseur, eine Aufnahmeleiterin und noch ein paar andere Menschen, von denen er keine Ahnung hat, was genau sie eigentlich hier tun. Scheinwerfer blenden, Monitore flimmern, die Visagistin pudert, und wenn er sich umdrehen würde, dann sähe er nichts außer einer grünen Wand.

„Letztes Jahr war irgendwie alles anders“, seufzt der CEO und meint natürlich die Zeit vor Corona. Als die Jahresauftaktveranstaltung noch im Messezentrum stattfand, im festlich dekorierten Saal, und nicht in diesem doch eher nüchternen Fernsehstudio. Tausend Mitarbeiter und Stakeholder waren geladen, dreidimensionale Menschen aus Fleisch und Blut, die klatschten und manchmal sogar lachten. Und jetzt? Bestenfalls mal ein Daumenhoch-Emoji auf einem der Monitore – mehr Feedback ist nicht.

Alles klar? Über Augenhöhe, Entschiedenheit, Sprache und Struktur

Gerade dieses fehlende Feedback führt direkt zurück zu unserer Einstiegsfrage: Was tun, um die eigenen Stärken auch auf der virtuellen Bühne sichtbar zu machen? Kann es überhaupt gelingen, aus dem distanzierten Setup eines Studios heraus eine Beziehung zum Gegenüber aufzubauen, über das Fenster eines Notebooks oder Smartphones Persönlichkeit, Humor und Ausstrahlung zu transportieren?

Die gute Nachricht: Ja, es kann – und ein Schlüssel ist Klarheit. In jedem Meeting und Vortrag, bei jeder Podiumsdiskussion und jedem Interview, saugen wir kommunikative Signale: Ein Lächeln hier, ein skeptisches Augenrollen dort. Ein zustimmendes Nicken, kritisches Seufzen, schmunzelndes Augenzwinkern. Die Crux an der Kommunikation via zweidimensionalem Kamerabild ist, dass es diese Signale (durch Verdichtung im engen Bildausschnitt) einerseits verstärken kann, andererseits aber auch oft unsichtbar werden lässt. Kamera schluckt Mimik – genau diesen Verlust gilt es aufzufangen: Mit einer klaren, präsenten Haltung. Mit Entschiedenheit. Mit verständlicher und konkreter Sprache in einer nachvollziehbaren Struktur.

Auf Augenhöhe gehen. Wer daran denkt, macht in Online-Meetings schon vieles richtig

Es ist verflixt einfach, bei der Augenhöhe bereits den entscheidenden Fehler zu machen: Das Notebook steht nun mal auf seinem angestammten Platz auf dem Schreibtisch, also setzt man sich und beugt sich hinunter Richtung Webcam. Eine präsente Position? Keine Chance. Dafür steigt die Wahrscheinlichkeit, schon vor dem ersten Wort als unsympathisch – vielleicht sogar als bedrohlich – wahrgenommen zu werden. In der Filmsprache ist es ein hundert Jahre altes Stilmittel: Will der Regisseur seinen Leinwand-Schurken als Bösewicht inszenieren, zeigt die Kamera ihn steil von unten, aus der Perspektive eines Frosches. Als Zuschauer im Kinosessel bekommen wir das ungute Gefühl, da schaut jemand von oben auf mich herab. Wahrscheinlich nicht der Eindruck, den Sie in einer Videokonferenzen erwecken möchte.

Gehen Sie es von der anderen Seite an und suchen Sie zunächst die Position, in der Sie sich gut und komfortabel fühlen, und richten dann die Technik ein. Und zwar so, dass das Kameraobjektiv und Ihre Augenpartie eine horizontale Linie bilden. Höhenverstellbare Tische eignen sich, alternativ kann das Notebook auf einem Bücherstapel stehen, das Smartphone im Stativ stecken. Entscheidend ist: Nicht Sie bewegen sich zur Kamera, die Kamera folgt Ihnen – mehr ist es nicht. Übrigens gibt es kein Gesetz, dass man bei Videokonferenzen sitzen muss. Ein fester Stand kann Ihnen bereits zu mehr Präsenz verhelfen, der Rücken ist gerade, Hemd oder Bluse knittern nicht so schnell. Das natürliche Gestikulieren fällt im Stehen leichter, wodurch wiederum überschüssiges Adrenalin abgebaut wird.

Wer Vertrauen gewinnen will, braucht den direkten und entschiedenen Blickkontakt

Neben dem unangenehmen Gefühl, von oben herab betrachtet zu werden, machen wir derzeit eine weitere verstörende Erfahrung in Online-Meetings und Videokonferenzen: Unser Gegenüber spricht, schaut dabei auf seinem Monitor… – und damit zielsicher an uns vorbei. Wollen Sie Ihrem Gegenüber das (gute!) Gefühl eines echten Blickkontaktes schenken, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als konsequent in das Objektiv der Webcam zu schauen – auch wenn es schwerfällt. Eine gute Freundin hat kürzlich ihren Online-Vortrag geübt, indem sie ein Bild abgehängt und 20 Minuten mit dem Nagel in der Wand gesprochen hat. Dadurch war sie gezwungen, den Blick auf diesen kleinen schwarzen Punkt (aus)zuhalten. Der direkte Blickkontakt ist ein entscheidender Schlüssel, um Vertrauen aufzubauen, oder zumindest Nähe herzustellen. Schauen Sie so oft es geht in die Kamera, wenn Sie das Wort haben, und versuchen Sie, zwischendurch Mimik und Gestik aufzunehmen, indem Sie ab und zu auf den Monitor schauen.

Jahresauftaktveranstaltung, Bilanzpressekonferenz oder feierliche Gala? Townhall-Meeting oder Führungskräftetagung? Besonders kniffelig ist der Blickkontakt, wenn Sie sich aus beispielsweise aus einem Studio heraus an Ihr unsichtbares Publikum wenden. Das motivierende Lachen Ihrer Kollegen, ein zustimmendes Nicken aus Reihe Eins – all das fällt weg. Selbst erfahrene Top-Manager tun sich ungewohnt schwer, Überzeugungskraft und klare Botschaften – das, was sie auf der „physischen“ Bühne möglicherweise auszeichnet – vor die Kamera zu bringen. Eine häufig gestellte Frage in unseren Trainings lautet „Wohin soll ich schauen?“ Hier hilft vor allem: Entschiedenheit. Gerade in dem verdichteten Videobild, (häufig Nahaufnahme, im Gegensatz zu der großen Bühne) wirken die flüchtigen Blicke zum Stichwortzettel, zum Kameramann oder ins unentschiedene Nichts schnell unsouverän und rauben Ihnen Präsenz. Wenn Sie beispielsweise eine Gesprächspartnerin im Studio-Talk haben, dann gilt auch der Blick ausschließlich ihr, sprechen Sie mit Ihrem Online-Publikum, dann gilt Ihr Blick in diesen Momenten der Kamera – und nur der Kamera.

Auch Online in der eigenen Sprache bleiben – konkret, klar und vor allem: kürzer!

Verwackelte Bilder und instabile Leitungen. Knisternde Mikros statt knisternder Stimmung. Ständig schaut unser Gegenüber an uns vorbei und auch noch von oben herab – gerne auch schlecht ausgeleuchtet vor einem unaufgeräumten Hintergrund. Die dampfplaudernden Alpha-Männchen und Weibchen (meistens Männchen) dominieren noch mehr als in jeder Präsenzveranstaltung, während die Stillen immer stiller werden. Die Sessions sind zu lang, und es gibt viel zu viele; die eingesparte Reisezeit wird zu gerne reinvestiert in… – eine zusätzliche Videokonferenz. Virtuelle Kommunikation fordert allen Beteiligten einiges ab, die Aufmerksamkeitsspanne ist geringer, und dem gilt es Rechnung zu tragen:

In virtuellen Formaten lautet die Formel 3xKurz: Kürzere Gesamtveranstaltungen, kürzere Redebeiträge, kürzere Sätze. Setzen Sie Prioritäten bei der Frage, was Sie mit Ihrem Auftritt bezwecken, schärfen Sie die wichtigsten Kernaussagen – und kürzen, kürzen, kürzen Sie. Ein Tipp: Lassen Sie kürzen – von jemandem, der Ihre Inhalte gut kennt, aber nicht so sehr an ihnen hängt, wie Sie. Das kürzt auch den Trennungsschmerz.

Vorsicht mit Ironie, Sarkasmus oder einem sprachlichen Augenzwinkern. In der physischen Kommunikation können sie ganz wunderbare Stilmittel sein – online laufen diese schnell ins Leere und stiften möglicherweise Verwirrung: „Hat er oder sie das wirklich so gemeint…?

Je konkreter Sie in Ihrer Sprache werden, desto länger halten Sie die Aufmerksamkeit. Einem langweiligen Redner zuzuhören macht nie Spaß – in virtuellen Formaten ist es quälend. Verzichten Sie auf endlose Schachtelsätze, verwirrende Passivkonstruktionen und den ungezügelten Einsatz von Substantiven statt Verben, und übersetzen Sie Ihre Botschaften in Bilder und Beispiele. Lassen Sie sich nicht zur einer unnatürlichen Präsentationssprache hinreißen, nur weil dort eine Kamera auf Sie gerichtet ist. Stärker Ihrer eigenen Sprache zu vertrauen, ist das Beste was Sie tun können – für Ihre Zuhörer und für sich selbst.

Ausblick: Und wie geht’s nun weiter, mit unserem CEO im Fernsehstudio…?

Die schlechte Nachricht: Er wird da jetzt durchmüssen – und zwar noch eine ganze Weile. Auch wenn er sich am liebsten morgen schon auf eine echte Bühne zurückwünscht, „physische“ Großveranstaltung sind noch nicht in Sicht. Virtuelle Formate werden unsere Kommunikation auch nach Corona maßgeblich mitbestimmen. Eine gute Nachricht gibt es aber auch. Überzeugende Auftritte vor der Studiokamera und vor der Webcam sind kein Zufall, sondern lassen sich erarbeiten. Auch online ist es durchaus möglich, die eigene Executive Presence sichtbar zu machen. Mit Haltung und Empathie, Entschiedenheit und klaren Worten.

Text: Christoph Münzner

Erschienen ist unser Artikel im aktuellen Kommunikationsmanager Heft 1/2021. Als kostenloses PDF hier abrufbar.

Richter & Münzner Buch Viel mehr als nur Körpersprache
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